30 Jahre Deutsche Einheit. Und noch immer sind wir Untertan. Nein. Ich jammere nicht. Ich klage an. Uns selbst, die wir uns immer noch keine Lobby erstritten, keine Positionen und vor allem keine Identität erarbeitet haben. Wir, die wir noch immer unter der Obhut der “Ostbeauftragten” wie Indianer im Reservat still jammernd auf irgendeinen hoffen, der es für uns richtet. Dabei übersehen wir, was wir alles geleistet haben. Was wir geschafft haben. Zusammen und auch jeder für sich. Doch im dunklen Tal gebrochener Biografien. Unter der bitteren Last verwehrter Anerkennung für geleistete, aber verlorene Lebenswege, ist es eben leichter, rückwärts zu klagen, als vorwärts zu streiten. Vielerorts ist die DDR noch immer Sieger der Herzen. Und im Dunst der Stammtische so untot, wie verbrämte Erinnerungen es nur sein können. Die neue Freiheit an eben gleicher Stelle eher Last als Gewinn. Die heimliche Sehnsucht nach dem Diktat, nach klarer Kante und – da ist es wieder – dem einen, der es für uns macht. Der alles regelt, dass es gut wird. 30 Jahre unglaublicher Entwicklung liegen hinter uns. Harte Jahre. Schöne Jahre. Bittere Jahre. In denen wir gelacht, gemacht, getanzt und auch geweint haben. Und auch vieles geeint haben. Leben eben. Und statt nach vorn zu gehen, herauszufordern und zu tun, was zu tun ist. Die Lücken selbst zu schließen und sich konstruktiv mit einzumischen, mäandert eine merkwürdige Mischung aus Wut und Verschwörung übers Land. Die da. Die da oben. Die da kommen. Die da drüben. Die Abkehr vom Mittun. Die Selbstisolation in der Echokammer mit dem Namen “früher”. Verschworen, verbiestert. Verprellt geben wir genau das, was wir nicht sein wollen. Wir sind untertan. Unmündig oft und nicht in der Lage, erhobenen Hauptes und mit offenem Visier zu streiten in seiner positivsten Form. Die Erkenntnis ist ebenso bitter wie sie süß ist: Wir sind das Problem. Aber wir sind auch die Lösung. Niemand sonst! Wir sollten nicht noch einmal 30 Jahre brauchen, dies zu erkennen.