Nunja. Sie haben die Ostsee, den schönen Sand, den Darß. Und ja: Sie haben bei der Verteilung der gottgegebenen Bestvoraussetzungen damit echt Schwein gehabt, um es mal so zu sagen. Allerdings bin ich mir nach beinahe einer Woche langersehntem Küstenurlaub relativ sicher, dass den hier lebenden Ureinwohnern nicht bewusst ist, was das Pleistozän ihnen als Starthilfe hinterlassen hat. Oder sie sind dem Missverständnis erlegen, dass viel Sand auf dem Boden die Existenz einer Servicewüste rechtfertigt. Denn in selbiger sind wir gelandet. Und um es vorweg zu sagen: Dieser Text sollte auch uns zuhause beschäftigen, denn er beantwortet die Frage, wie der Gast manchmal das sieht, was wir als Angebot empfinden.

Das erste Lächeln gab´s im “Markt am Meer”, einem gut getarnten EDEKA mit Preisen, wie man sie entweder zu Zeiten großer Inflation oder eben in Touristenfallen vorfindet. An der Kasse sagte die junge Frau super freundlich “viele Dank” und ja – sie lächelte! Einen kurzen Moment verwirrt decodierte der hintere Hirnlappen jedoch blitzartig das “viele” vor dem “Dank” als Erklärung für das soeben erkannte, im rauen Norden aber ausgestorbene Lächeln: Die Kollegin stammte offensichtlich aus Polen. Die Erkenntnis beruhigt. Es ist noch alles in Ordnung in MeckPom.

Kein Witz. In den bisher viereinhalb Tagen hatten wir bisher exakt ein erfreuliches Serviceerlebnis. Mit hausgemachtem Eis und einem superleckerem Kaffee aus einer dampfenden italienischen Diva. Zwar gab sich das Personal auch hier extrem zugeknöpft. Dafür versuchte der Kollege auch erst gar nicht, Kundenhoffnung in dieser Richtung zu erzeugen. Auf die Frage, woher der Kaffee denn stamme, den er da eben gebraut hatte antwortete er mit einem ebensowenig weitschweifenden wie gehaltlosen: “Den kaufen wir ein.” Nun. Beruhigt konnte ich wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass es sich nicht um Diebesgut handelte. War ja auch was. Und da die Waren bestens mundeten, konnte man den sehr schmalen Smalltalk auch irgendwie verkraften.

Schön auch der Besuch an einem Fischimbiss zur besten Mittagszeit im schönen Prerow. Dort hatte man die Pommes noch nicht vorbereitet, was bei einer Karte, die zu gut 50% aus den geölten Erdstäbchen besteht einem mittelschweren Atomunfall gleichkommt. Die korpulente Nordin focht dies freilich nicht an. Nicht fertig, ist nicht fertig. Basta. Oder Hering. Oder was auch immer. Der berlinernde Servicekollege von der benachbarten und offenbar dazugehörigen Fischgaststätte wiederum bejahte die hungrige Frage nach dem Vorhandensein der leckeren Kinderspeise und verwandelte somit Imbiss- in Restaurantgäste. Und vervierfachte damit den Familienumsatz. Ich denke inzwischen, dass genau dieser Plan hinter dieser Sache steckte. Kurzum. In der Zeit, die die Restaurantküche benötigte, ein paar Pommes von tiefgefroren in goldbraun zu verwandeln, hätte die korpulente Fischfrau vom Imbiss das Zeug vom Mc Donalds in Rostock holen können. Und zwar zu Fuß. Nicht aufregen, denn es war dann nichtmal lecker und damit aber ein wenigstens in sich konsistentes Serviceangebot. Klare Linie ist eben klare Linie.

Ein paar gegenwindversüsste Fahrradkilometer später im ebenfalls beschaulichen Wiek erlebten wir dann schliesslich die bisherige Krönung der Servicekultur MeckPom. Den Gipfel sozusagen, wenn denn die Wüste einen hätte. Auf einer Caféterrasse wurden wir als Gäste zum Beiwerk eines im Gastraum laufenden Drittligaspiels von Hansa Rostock. Der bestellte Latte konnte mangels Milchschäumer nicht produziert werden. Der ersatzweise georderte Apfelstrudel fand seinen Weg offensichtlich nach einem bereits mehrere Monde andauernden Kälteschlaf in diversen Kühleinheiten auf den Teller. Garniert mit einer Kugel Aldi-Eis. Der von mir georderte Schwedenbecher (mein Pflichtprogramm an der Küste seit Menschengedenken) kam mit Baileys an Stelle von Eierlikör. Der gute Mann hatte zur Samstagnachmittagprimetime keine Zutaten im Haus. Dies störte ihn jedoch nicht so sehr, wie die letzte vermeintliche Abseitsszene im Indoor-Drittklassenfussballstudio. Mit den Worten “Ich hab mal Baileys genommen. Eierlikör is alle”, wurde der nun nicht mehr ganz so schwedische Becher vor meiner Nase abgeworfen, was mir eher spanisch vorkam. Dass einer mit der Nummer in der Zeit, in der wir uns dort an seinen Produkten erfreuen durften, mal locker 200 EUR Umsatz generieren kann, passt irgendwie nicht zu der Behauptung, das Gott alles sieht.

Das mal als Abriss. Zum einen sollte uns dies zum Nachdenken bewegen. Und zu der Frage, was wohl unsere Gäste denken, wenn sie mit qualmenden Reifen die Stadt verlassen. Zum anderen darf gelächelt werden und ich bin mir sicher, die kommenden Tage bringen noch einige erbauliche Zeilen zustande. In diesem Sinne. Grüße von der Küste!