Dieser Sommer wird in die Geschichte eingehen. Überall in den Krisen- und Armutsgebieten dieser Welt setzen sich Menschen in Bewegung. Hunderttausende begeben sich auf die Flucht vor Armut, Hunger und Krieg. Tausende ertrinken dabei im Mittelmeer. Auch an unserer Stadt wird diese neue Völkerwanderung nicht vorbeigehen, denn auch wir haben die Verantwortung zu helfen. Ich habe in den vergangenen Wochen viele Diskussionen auf der Straße dazu geführt.  Fast angsterfüllt fragt man mich, wann „die“ denn kommen werden. Jedes Baugerüst wurde als Baubeginn eines Heimes gedeutet. Und auch bei uns beginnt mancher Bürger seine Meinungsäußerung mit dem Satz: „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“ Oder: „Das ist ja in Ordnung, aber doch nicht bei uns.“ Ich kann verstehen, dass das Thema Unsicherheit hervorruft. Und doch werden wir uns nun der Herausforderung stellen müssen und auch bei uns Flüchtlinge aufnehmen.

Viel wurde berichtet. Über den vermeintlich braunen Osten, das dunkle Deutschland. Und dabei werden wenige zum scheinbaren Aushängeschild einer ganzen Region. Wir sollten uns hüten, von diesen Bildern abzuleiten. Heime brennen auch anderswo.  Kein Grund, uns alle zu stigmatisieren und das Problem zu einer lokalen Erscheinung zu verkleinern. Aber auch wenn der Osten nicht das ist, was wir in Heidenau zu sehen bekamen und wofür ich mich schäme: Es ist zu spüren, dass viele Menschen große Vorbehalte haben, wenn es um das Thema Asyl geht. Dabei sollten gerade wir hier wissen, wie wichtig Hilfe sein kann. Und dabei kamen wir vor 25 Jahren weder aus einem Krisen- und schon gar nicht aus einem Kriegsgebiet in die neue Zeit. Auch wir produzierten Wirtschaftsflüchtlinge, die zu Tausenden in westdeutschen Aufnahmelagern landeten und dort mit offenen Armen aufgenommen wurden. Und noch heute sind wir von dieser Hilfe abhängig. Das ist etwas anderes, werden Sie sagen und Sie haben Recht. Dieselbe Kultur und dieselbe Sprache verbinden, machen es leichter. Und die Nation wollte geeint sein. Doch bei uns ging es nicht ums Überleben, wie bei vielen, die heute zu uns kommen. Es ging um die Hoffnung, besser leben zu können, frei zu sein. Auch dies gilt für viele der Flüchtenden heute. Wir sollten dies nicht vergessen, wenn wir darüber diskutieren, sie zunächst aufzunehmen.

Das wir dies tun müssen, steht für mich außer Frage, denn wir sind Menschen. Und dazu noch Menschen aus einem reichen Land. Einem Land auch, das diese Krisenherde zu Teilen mit verantwortet. Ein Land, das noch immer zu wenig von seinem Reichtum gibt, um in den armen Ländern dieser Welt den Menschen dabei zu helfen, sich eine Existenz zu begründen und in Frieden zu leben. Stattdessen belegen wir afrikanische Produkte mit Zöllen, um im Gegenzug deren Landwirtschaft mit unseren subventionierten Produkten in die Knie zu zwingen. Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur dieser Welt und in fast jedem Krisenherd militärisch präsent. Und selbst im Kosovo wacht die Bundeswehr noch immer über einen brüchigen Frieden. Warum, wenn es doch dort so sicher ist?

Klar ist, dass wir nicht alle dauerhaft aufnehmen können, die darum bitten. Aber wir sollten diese Menschen nicht dafür bestrafen, dass wir Verfahren nicht beschleunigt bekommen, dass wir nicht vorbereitet waren auf etwas, was nicht wie ein Gewitter über uns hereinbrach, sondern etwas, was lange sichtbar war. Dass wir versäumt haben, ein Einwanderungsgesetz zu beschließen, in Zeiten, in denen wir Zuwanderung brauchen. Dass wir deshalb nun jeden in ein Asylverfahren pressen. Unabhängig davon, ob der dieses begehrt. Wir haben das Glück, auf der reichen Seite dieser Welt geboren zu sein. Wir haben Frieden und unsere Kinder gehen in die Schule, haben zu essen und ein Dach überm Kopf. Vergessen wir auch das nicht, wenn wir urteilen. Stellen wir uns lieber die Frage, ob wir nicht auch gehen würden, wenn es uns so erginge und wir dies könnten. Ich jedenfalls denke so, wenn ich übernächtigte Väter sehe, die schreiende Kinder im Alter meines Sohnes aus stickigen Zügen heben. In diesem Moment ist mir egal, warum jemand den langen Weg zu uns angetreten hat. Und auch wenn er in Perspektive nicht hierbleiben kann – jetzt braucht dieser Mensch Hilfe von anderen Menschen.

Auch wir werden Flüchtlingen ein Zuhause bieten. Noch wissen wir nicht genau wann dies sein wird. Dass dies in diesem Jahr aber noch kommen wird, steht  außer Frage.  Lassen Sie uns gemeinsam ein Netzwerk bilden, das Menschen Willkommen heißt und die Hand reicht. Ende Juli haben wir auf meine Einladung hin im Kreis vieler Vereine und der Kirchgemeinden einen Anfang gemacht, uns auf diese Aufgabe vorzubereiten. Am kommenden Montag wird sich dieser Kreis erneut treffen. Am 9. September haben wir eine Informationsveranstaltung für unsere Bürger geplant, auf der wir in der Mehrzweckhalle in Augustusburg durchführen wollen. Hier werden wir unsere Gedanken und Vorschläge vorstellen, wie wir diese Aufgabe lösen wollen. Lassen Sie uns gemeinsam helfen. Das macht uns nicht ärmer, sondern reicher.